KolumneMarie - 01

Nun kann ich

euch in Frieden betrachten

Ich habe Fleisch geliebt. In den ersten Jahren meiner Party-Karriere war es ein Ritual, nach durchtanzten Nächten irgendwo auf dem Kiez einen Burger oder eine Currywurst zu essen. Kurz vor dem Morgengrauen, mit verlaufener Schminke und den Überresten einer vor wenigen Stunden kunstvoll hergerichteten Frisur auf einem Baugerüst an der Reeperbahn abhängen, das letzte Bier des Abends direkt aus der Flasche trinken und sich sehr jung, sehr cool und sehr außergewöhnlich vorkommen.

 

Meat Me Tonight

Eine Weile dachte ich, es wäre mir damals nur darum gegangen, dass die coolen und heißen Typen ein Mädchen wie mich irgendwie auf eine geheimnisvolle Art interessanter fanden, als die klassischen Blondinen-Schönheiten, die in den ersten Jahren auf der Schule immer die Beliebtheitsskala anführten. „Hey, die Marie, die zieht sich um 5 Uhr Nachts einen fettigen Burger und ein Bier mit uns rein, die ist anders als diese Püppchen“. In der Retrospektive glaube ich aber, es war einfach die Traumvorstellung eines wilden, unabhängigen Lebens. Einem ohne Konventionen, ohne Zwänge, ohne Langeweile. Und auf irgendeine verschrobene Art und Weise gehörte Fleisch durch von amerikanischer Pop-Literatur und mittelguten Filmen geprägte Augen einer 17-Jährigen immer dazu.

Fleisch war ein Accessoire. Eins, das man in meiner Generation, der die Großstadt Hamburg viel zu klein war und doch gleichzeitig viel zu groß, einfach konsumierte. Es gehörte zu einem Lifestyle, den man leben wollte, obwohl man ihn nicht mal schlüssig definieren konnte. Es war vor allem aber der Geschmack. Fleisch schmeckte mir. Vor meiner Partyphase, als ich die Wochenenden noch vornehmlich bei meiner Oma anstatt in dubiosen Clubs verbracht hatte, freute ich mich jeden Sonntag auf das Mittagessen. Bei meiner Oma gab es traditionell Sahneschnitzel. Dazu Blumenkohl, der mit Butter und Semmelbröseln diese spießigen, braunen Krönchen bekam. Und Kartoffeln. Die Jahrhundertwende war für mich ein einziger kulinarischer Ausflug in die Esszimmer der 60er-Jahre.

 

Ich bin ein Katzenmädchen

Fleisch bestand für mich nicht aus toten Lebewesen. Diese Transferleistung brachte ich nicht zustande. Ich wusste nichts von Massentierhaltung, Klimawandel, Abholzung des Regenwaldes oder den Einfluss von tierischen Eiweißen oder rotem Fleisch auf die Gesundheit. Dass das Herzstück eines Cheeseburgers ein Stück aus dafür getötetem Lebewesen ist, wurde in einem klassischen Verdrängungsmechanismus nie thematisiert. Bis zu einem lauschigen Frühsommerabend vor fast 10 Jahren. Die Mutter einer meiner besten Freundinnen ist Tierärztin. Immer wieder nimmt sie verletzte oder herrenlose Tiere auf und sucht ein neues zu Hause für sie. Ohne lange darüber nachzudenken, verliebe ich mich in zwei gerade geborene Katzen-Schwestern. Schneeweiß, tapsig, verspielt, schüchtern, niedlich.

Ich nehme sie mit nach Hause und bin über Nacht Katzenmama. Die ersten Monate verbringen sie hauptsächlich damit, ihren eigenen Schwanz zu jagen, bis sie völlig schwindelig gegen die Couch rennen, auf Schränke zu klettern und sich nicht mehr herunter zu trauen sowie an den zahlreichen in meiner gesamten Wohnung an Kleiderständern hängenden Designerkleidern hoch zu klettern. Mit vier Pfoten voller Krallen natürlich ein Unterfangen, das jedes Kleidungsstück innerhalb von Sekunden zu einem nur noch als Putzlappen benutzbaren Stofffetzen verwandelt.

 

Hühner essen: Ja, Katzen essen Nein. Warum?

Ein Wendepunkt in meinem Leben. Noch heute, fast 10 Jahre später, bemerke ich oft, wie ich minutenlang die beiden Katzen beobachte. Zwillinge, und doch völlig verschieden. Ganz unterschiedliche Charaktere. Lebewesen eben. Mit eigener Identität, Vorlieben, Macken. Bedingungslose Liebe. Streithähne. Ich lerne von zwei kaum 5 Kilo schweren Vierbeinern mehr über das Leben, als aus den meisten Büchern oder Filmen. Ohne es bewusst zu entscheiden, interessiere ich mich plötzlich für alle Lebewesen auf der Erde. Ich beginne, mir Fragen zu stellen. Warum essen wir Schweine und Kühe ohne mit der Wimper zu zucken, Katzen und Hunde aber nicht? Was kann ein Schwein dafür, dass es nicht so niedlich ist, wie eine Katze? Katzenvideos sind ein weltweiter Hype auf YouTube, Schweinevideos kenne ich nicht mal.

Es ist nur ein kurzer Weg von der Frage „warum sollte es mir erlaubt sein, ein Tier zu töten, nur um es zu essen?“ zur Entscheidung, vegetarisch/vegan zu leben. Anders, als ich es mir ausmale, läuft der Verzicht auf Fleisch für mich problemlos ab. Keine Entzugserscheinungen. Das einzig Schwierige sind die Diskussionen und Rechtfertigungen. Gar nicht mal so sehr im Freundes- und Familienkreis. Eher bei entfernteren Bekannten oder in Internet-Diskussionen. Ich glaube fest daran, dass jeder Mensch den für sich besten Weg finden muss. Daher missioniere ich auch nicht. Ich halte mich nicht für einen besseren Menschen, weil ich kein Fleisch esse. Ich diskutiere leidenschaftlich darüber, ob man Fleisch essen sollte oder nicht, aber immer mit offenem Visier.

 

Internetforen und Omnivoren

Viele Fleischesser (Omnivoren, um mal einen schlauen Fachbegriff einzubringen) fühlen sich bereits durch die reine Anwesenheit von jemandem angegriffen, der kein Fleisch isst und verfallen automatisch in eine Art Verteidigungshaltung. Man kann die Uhr danach stellen, wann sie beginnen, die Absurditäten veganer Ernährung herunter zu beten und Argumente aufzuzählen, warum sie auf Fleisch nicht verzichten können. Keine Diskussion vergeht, ohne dass nicht irgendwer die pseudolustigen Argumente wie „Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg“ oder „Tofu schmeckt sehr gut, wenn man es wegschmeißt und durch ein Steak ersetzt“ bringt. Die waren schon nicht lustig, als sie vor 25 Jahren das Licht der Welt erblickten. Und dennoch – irgendwer bringt sie auch heute noch in jedes Gespräch ein, in dem auch nur ansatzweise die Vokabel „Vegetarier“ oder „Veganer“ fällt. Dagegen ist sogar Mario Barth lustig. Und der gilt ja mittlerweile fast schon als der Donald Trump der Comedians.

Das ist aber nur die eine Seite. Mittlerweile wandelt sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Fleischkonsum. Kaum ein Supermarkt, der nicht ein stetig wachsendes Angebot an vegetarischen und veganen Produkten führt. Es gibt vegane Milch, vegane Bratwurst, veganen Käse. Die Menschen sind weniger sportlich aktiv, arbeiten mehr, haben mehr Übergewicht und andere körperliche Defizite. Das wollen sie abstellen. Die Zeit läuft eindeutig für die gesunde Ernährung. Selbst Leonardo da Vinci sagte bereits "Es wird die Zeit kommen, in welcher wir das Essen von Tieren ebenso verurteilen, wie wir heute das Essen von unseresgleichen, die Menschenfresserei, verurteilen“, und der hat vor über 500 Jahren gelebt.

Viel mehr Streitpotenzial als mit den Vertretern der „ich esse Fleisch und bin stolz darauf“-Fraktion hatte ich aber seit jeher mit Hardcore-Veganern. Ernährungs-Terroristen mit Dogma-Anspruch, die anderen Menschen ihre Lebensberechtigung absprechen, weil sie Lederschuhe tragen. Menschen, die dafür sorgen, dass selbst heute noch Veganer oftmals als esoterische Weltverbesserungs-Spinner abgestempelt werden. Und damit ihrem eigenen Credo, möglichst alle Leben zu schützen, schaden. Für mich ist das Verhalten unerklärlich. Wenn ich Trainer bei Borussia Dortmund bin, stelle ich Aubameyang ja auch nicht in meinen eigenen Strafraum und lasse ihn jeden Ball auf den eigenen Kasten schießen, um zu beweisen, dass er viele Tore schießen kann. Denn ich kann das Spiel so nicht gewinnen.

Über meinen jahrelangen Kampf gegen Hardcore-Veganer und Fleisch-Fetischisten berichte ich dann aber in meiner nächsten Kolumne.

Bis dahin: #VeganWerdenWasLosDigger!

Deine Marie

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