KolumneMarie - 02

Ich bin für Tierrechte

ebenso wie für Menschenrechte

Veganerin zu sein ist nicht mehr zwangsläufig ein klischeebehaftetes Mysterium für die meisten Menschen in Deinem Umfeld. Eigentlich alle, die ich kenne, von der Familie bis zu meinen Freunden, verstehen mich recht schnell. Sie merken, dass es mir ernst ist und die Umstellung meiner Ernährung klar nachvollziehbare Gründe hat. Bei den Menschen, die ich wirklich kenne, gibt es auch kaum jemanden, der meine Meinung nicht wenigstens in der Frage teilen würde, dass es für eine Gesellschaft niemals gut sein kann, sich primär von industriellem Billigfleisch zu ernähren. Ein Grundkonsens, der schon mal der wichtigste Schritt ist.

Jeder wird sich irgendwann diese Frage stellen, da bin ich mir sicher. Ich habe mir das Rauchen abgewöhnt. Es war furchtbar hart und voller schlimmer Versuchungen. Jede Tasse Kaffee, jedes kleine Problem, jede Langeweile winkt mit dem angelernten Reflex „ach komm, jetzt noch schnell eine Zigarette“. Als ich mir das Fleischessen abgewöhnt habe, war das viel weniger hart. Im Gegenteil. Ohne groß darüber nachzudenken, habe ich mir auch das Kaufen von Lederprodukten oder Kosmetik von Konzernen, die Tierversuche durchführen, abgewöhnt. Und wer mich kennt, der weiß, wie kompliziert ich bei der Auswahl von Pflegeprodukten bin. Mich da selber in der Auswahl einzuschränken, war eindeutig härter, als plötzlich keine Steaks mehr zu essen. Doch das Steak ist offensichtlich das Heiligtum der Deutschen. Der Urinstinkt, ein dickes Stück Fleisch auf den Grill oder in die Pfanne zu werfen, und sich stark und gesund zu fühlen. Ich kann niemandem vorwerfen, dass er sich nicht eingehend genug mit der Thematik beschäftigt hat, um zu wissen, dass er da vollkommen falsch liegt. Aber ich werde auch nicht damit aufhören, es an den richtigen Stellen anzumerken.

 

Reden ist Silber, Schweigen ist out

Ich mag Diskussionen. Ich stehe ein wenig in der Öffentlichkeit und positioniere mich auch. Auf Twitter. Auf Facebook. Auf Instagram und in Kolumnen. Ich setze mich mit AfD-Anhängern genau so auseinander, wie mit Fußballfans oder Chemtrails-Verschwörern. Und natürlich auch mit Fleischessern. Und klar, ich kenne diesen Reflex auch. Es gibt unterschiedliche Kategorien von Diskussionspartnern, auf die man trifft, wenn man öffentlich über das Thema Veganismus spricht. Man kann die Uhr danach stellen, dass Kategorie 1 (der pseudo-medizinische Klugscheißer) als erstes die Szenerie betritt. Er beginnt dann damit, in recht belehrendem, oft auch herabwürdigendem Ton, die Absurditäten von veganer Ernährung runter zu beten. Es gibt für alles Studien. Vor allem, wenn es um Gesundheit geht. Irgendwie kann man alles belegen. Vermutlich gibt es sogar irgendwo eine Studie, die besagt, dass man innerhalb von vier Monaten 40 Kilo abnehmen wird, wenn man sich ausschließlich von Schokoriegeln ernähren würde. Der Kategorie-1-Mann lässt also ein paar auswendig gelernte Weisheiten ab und geht dann wieder.

Meistens beteiligt er sich nicht weiter an der Diskussion, da ihm das tiefere Wissen dazu fehlt, um Gegenargumenten gewachsen zu sein. Wenn der Intellekt und damit die Hemmschwelle etwas niedriger angesetzt ist, kommen manchmal noch ein paar wenig subtile Beleidigungen, bis er (in vollster Überzeugung, die Diskussion „gewonnen“ zu haben und es den idiotischen Pflanzenfressern mal so richtig gezeigt zu haben) sich trollt und an anderer Stelle zu anderen Themen (gerne Fußball-Nationalelf, Angela Merkel, Flüchtlings- oder Sicherheitspolitik, Terror oder Fake News) auslässt.

 

Fleisch ist mein Gemüse – Lacher bei jedem Omnivorenstammtisch seit 1912

In Kategorie 2 fallen die Whataboutism-Jünger. Anstatt einfach zu sagen „ich mag Fleisch, daher kann ich kein Veganer sein“, möchten sie die Glaubhaftigkeit von Veganern diskreditieren. Das läuft immer gleich ab. Sie stolpern in eine Diskussion über Fleischverzicht und erklären dem Publikum völlig aus dem Zusammenhang gerissen, dass die Welt viel größere Probleme als arme Schweine hat, die wir als Kotelett essen. Was denn mit den verhungernden Kindern in Afrika wäre, mit den Obdachlosen hier bei uns in Deutschland oder mit den Kriegen in der Welt. Ihnen das große Gesamtbild von Massentierhaltung, Antibiotika. Klimawandel, Krankheiten, Unterversorgung usw. näher zu bringen und klar zu machen, dass ein Verzicht auf Fleisch tatsächlich auf viele dieser Punkte sogar heilenden Einfluss hätte, würden nicht mal Albert Einstein und Leonardo da Vinci schaffen. Beide bekennende Fleischverzichter und nicht gerade als die dümmsten Zeitgenossen in die Weltgeschichte eingegangen. Die Whataboutism-Kategorie ist vollkommen unbelehrbar. Viel zu großartig findet sie sich selber mit ihrer Gott gegebenen Fähigkeit, das große Ganze zu sehen und sich nicht mit Kleinigkeiten wie Tierrechten, Ethik oder Gesundheitsfragen aufzuhalten. Was genau sie gegen den Hunger in Afrika oder die Kriege auf der Welt tun, bleibt zumeist unklar. Im Dezember ein paar UNICEF-Weihnachtskarten zu kaufen, reicht dem Großteil da vermutlich. Und natürlich, ihre Weisheit in Internetforen zu schreiben, wann immer sie jemanden erwischen, der zugibt, kein Fleisch zu essen.

 

Vive la Evolution

Die dritte und meist anstrengendste Kategorie sind die selbsternannten Evolutions-Wissenschaftler. Der Mensch hat immer schon Fleisch gegessen und wäre ohne Fleisch wahrscheinlich noch eine Amöbe. Fleisch versorgt mich mit den wichtigsten Nährstoffen, ohne die mir sonst die Zähne ausfallen würden. Da hier mehrere Wissenschaften aufeinanderprallen ist es besonders schwierig, aufzuzeigen, wo überall Diskussionspotenzial liegt. An der dritten Kategorie beißt man sich besonders die Zähne aus. Um ehrlich zu sein, werfe selbst ich hier oftmals schnell die Flinte ins Korn. Selbst wenn es so wäre, dass der Mensch mit Fleischkonsum zu dem geworden ist, was wir heute sind, sind derlei Argumente natürlich absurd. Der Neandertaler, der ein mal im Monat das Glück hatte, ein Tier zu erlegen, das gesund aufgewachsen war, ist wohl kaum mit dem übergewichtigen, urbanen Kategorie-3-Typ zu vergleichen, der in Massentierhaltung erzeugte Salami für 79 Cent im Discounter kauft, weil er sich davon Nährstoffe und Evolutionsvorteile verspricht.

 

Keine Kreuzzüge gegen 30 Jahre alte Ledertaschen

Aber, und so ehrlich muss man sein: Das meiste Streitpotenzial hatte ich seit jeher auch mit den Hardcore-Veganern. Ich respektiere ihre Art zu Leben vollkommen. Die Stringenz und Mühe aufzubringen, auch bei jedem Stück Seife in irgendwelchen Hotelzimmern zunächst zu eruieren, ob tierische Produkte enthalten sind, bewundere ich auf eine gewisse Art und Weise. Wirklich. Sie brennen für ihre Überzeugung und lassen sich nicht beirren. Dennoch lebe ich nicht so. Ich habe noch alte Leder-Schuhe. Und Gürtel. Sie sind aus der Zeit, bevor ich Vegetarierin wurde. Ich sehe keinerlei Sinn darin, sie jetzt weg zu schmeißen. Das rettet kein einziges Tier. Keine neuen Lederwaren mehr zu kaufen – das ist meine Philosophie. Keine Kreuzzüge gegen 30 Jahre alte Ledertaschen.

 

Breakfast for Champions (of Bigotry)

Oder gegen bemalte Ostereier. Ja. Kein Scherz. Ostern ist ja noch nicht so lange her und über irgendeinen Link in meiner Facebook-Timeline landete ich auf einem Beitrag, den eine junge Mutter mit drei Kindern am Ostersonntag gepostet hatte. Ein üppig gedeckter Frühstückstisch, der im ersten Moment gar nicht vegan aussah. Es gab Rührei, Pancakes, Frischkäse, Obst, Aufschnitt, Kakao, Würstchen. Jedes fünf Sterne Hotel wäre neidisch geworden. Erst der Text unter dem Foto, etwa nach dem Motto „meine Familie muss auch bei einem veganen Frühstück auf keine Köstlichkeit verzichten“, die eigentlich jeden Veganer fröhlich (und hungrig!) machen müsste, machte überhaupt klar, dass es sich ausschließlich um vegane Produkte handelte.

Anstatt jedoch diesen Foodporn, der mir ernsthaft das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ, als weiteres Beispiel für den richtigen Weg zu feiern, kamen sie aus ihren Löchern. Die Hardcore-Veganer. Was sich danach abspielte, dagegen ist das Diskutieren mit Menschen, die sagen „ich esse Fleisch weil ich es kann und weil es mir schmeckt, Ihr scheißdoofen Ökospinner“ eine reine Wohltat. Wenn man nämlich das Bild ganz exakt und minutiös inspizierte, entdeckte man an der Lampe über dem Frühstückstisch einige bemalte Ostereier. Ja. Es war Oster-Sonntag. Über dem Esstisch hing Oster-Deko. Der dezente Hinweis darauf (klar, fragen ist erlaubt, warum auch nicht), wurde sogleich von der Urheberin des Fotos beantwortet. Es handelte sich tatsächlich um echte Eier. Bemalt von ihren Kindern im Kindergarten bzw. der Schule. Bei genauem Hinsehen erkannte man sofort die unterschiedlichen Qualitätsstufen der verschiedenen Jahrgänge. Und dass es sich um Eier handelte, die über Jahre zusammengetragen waren.

 

Erzfeind Osterei

Hätte man seine Kinder anweisen sollen, im Kindergarten mit 4 Jahren eine Diskussion anzuzetteln, dass man keine Eier bemalen möchte? Hätte man schon 5 Jahre alten Osterschmuck wegschmeißen sollen? Für die Ganz-oder-gar-nicht-Terroristen unter den Veganern stellt sich diese Frage nicht. Natürlich muss man das. Kommentare wie „jeder kann das sehen, wie er will, aber unter Veganern hast Du damit nichts zu suchen“ oder „Und Du nennst Dich Veganerin?“ waren da noch die harmlosesten. In solchen Momenten würde ich gerne durchdrehen und alle mal kräftig schütteln. Ich würde sie gerne anschreien und ihnen mitteilen, dass genau solche Reaktionen der Grund sind, warum viele Menschen bis heute Veganer als Verrückte bezeichnen und uns nicht ernst nehmen. Und wie vielen Tieren wohl geholfen wird, dadurch dass wir uns in der Öffentlichkeit wegen solcher Kleinigkeiten selber über tausende von Kommentaren in Foren oder auf Facebook diskreditieren.

Würden diese Veganer nur die Hälfte der Zeit, die sie investieren, um anderen Veganern zu erklären, warum sie keine „richtigen Veganer“ sind, dafür nutzen, um den Menschen den Zusammenhang von Fleischkonsum und kardiologischen Erkrankungen, Raubbau am Regenwald oder Klimawandel zu erläutern, wäre die Welt in meinen Augen auch schon ein schönes Stück besser. Ich hoffe daher, dass der Blick auf das Wesentliche eines Tages auch hier Einzug hält.

Bis dahin: #VeganWerdenWasLosDigger!

Deine Marie

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